Das Kiefergelenk/ CMD
In den letzten Jahren hat das Kiefergelenk viel Aufmerksamkeit erfahren. Zahnärzte, Orthopäden und Kieferchirurgen haben sich förmlich darauf gestützt. Als Manualtherapeutin habe ich schon vor Jahren in meinen Fortbildungen gelernt, dass das Kiefergelenk einen enormen Einfluss auf unsere Statik hat. Leider auch am eigenen Leib. Daher erzähle ich euch mal in diesem Blog meine Geschichte.
Die Ursache meiner langen Kiefer- und Zahnbehandlung war eine jahrelang nicht versorgte Zahnlücke im rechten Unterkiefer. Mit 18 Jahren musste ich mich leider von einem meiner Backenzähne trennen. Eine Versorgung durch eine Brücke kam hier nicht in Frage. Warum zwei gesunde Zähne durch eine Brücke schädigen und für eine Brücke war ich einfach zu jung. Die Implantatologie steckte noch in den Kinderschuhen und so lief ich über 10 Jahre mit einer Zahnlücke herum. Die Nachbarzähne vor und hinter dieser Lücke senkten sich ab und dies hatte nun zur Folge, dass ich ab einer bestimmten Zeit keinen Zahnkontakt mehr auf der unteren rechten Zahnseite hatte. Hinzu kam noch eine Discusverlagerung im Kiefergelenk nach einem Schleudertrauma 2 Jahre später. Das war quasi der Anfang vom Ende. Vielleicht nicht ganz so drastisch, aber auf die ein oder andere Weise sehr schmerzhaft.
So etwas passiert nicht von heute auf morgen. Es war ein langer Prozess und die Symptome anfangs nicht klar zu deuten. Mich begleiteten immer öfter Kopf- und Nackenschmerzen. Anfang 20 kam noch ein Tinnitus dazu. Meine Körperstatik war immer öfter aus dem Lot und ich musste mich zum Schluss fast 1x/wöchentlich komplett von Kopf bis Fuß einrenken lassen. Das Unangenehmste war jedoch eine auftretende Maulsperre. Nur dass andersherum. Ich konnte meinem Mund in Hochzeiten nicht mehr öffnen, was auch mit extremen Kieferschmerzen einher ging. Wer mich kennt, kennt auch meine Liebe zur Flüssignahrung. Ich liebe Suppen und Smoothies- ok Scherz beiseite.
Ich begab mich in zahnärztliche Behandlung. Hier kam mir dann das erlernte Wissen meiner Fortbildungen wirklich zu gute. Mein Kiefer wurde mit einer Schiene versorgt. Es sollte erstmal geschaut werden, was möchte der Kiefer, was möchten die Muskeln und die umliegenden Gelenke. Es folgten Termine morgens früh vor der Arbeit beim Physio. Dieser stellte mir die Kopfgelenke ein, entspannte meine Muskeln und in diesem Zustand ging es dann direkt weiter zum Zahnarzt, der dann die Zahnschiene immer wieder anpasste. Ein dreiviertel Jahr 1x/ Woche. Ich habe bestimmt fünf verschieden angepasste Schienen in dieser Zeit bekommen. Immer wieder Abdrücke, Bisszentriken und was für ein Aufwand an Zeitmanagement. Was für ein Ritt! Der Tag, an dem ich dann endlich das Implantat bekam, ist noch sehr präsent in meinem Hirn. Ich wusste überhaupt nicht was da auf mich zukam. Denn alles was am Kopf passiert, geht extrem auf die Psyche. Das kennt bestimmt die eine oder andere von euch und kann so ein Procedere nachfühlen. Kopf- und Zahnschmerzen, aber auch Ohrenschmerzen oder Migräne.
Nachdem mein Implantat einsetzt und alles gut verheilt war, wurde dann der restliche Unterkiefer mit leichten Kronen versehen. Das war Millimeterarbeit, denn diese Kronen waren alle so individuell bearbeitet, dass mein Unterkiefer wieder den perfekten Biss bekam. Einen großen Dank an dieser Stelle an den Zahntechniker!
Diese sehr aufwendige Behandlung hat etwa so drei Jahre gedauert und ich habe jetzt einen Kleinwagen im Mund, haha. Aber gelohnt hat es sich auf jeden Fall. Maulsperre ade!
Ich beiße und knirsche immer noch, aber das ist ein anderes Problem. Dazu hier noch ein paar Erklärungen und Formulierungen.
Auch meine Geschichte kann man unter der Diagnose CDM abspeichern.
Die Diagnose CMD bedeutet cranio- mandibuläre Dysfunktion. Cranium- der Kopf und Mandibulea- die Kiefergelenke haben eine Fehlfunktion. Also eine Fehlregulation auf struktureller, funktioneller, biochemischer und psychischer Basis. Wie schon oben erwähnt sind hier Gelenke, Muskeln, Discus, Zähne, Stresshormone und auch Alltagsumstände Faktoren, die man alle in einem Kontext sehen muss.
Dann erkläre ich auch gerne an dieser Stelle folgende Begriffe:
Bruxismus: das Beißen/ Zähneknirschen. Hier wird zwischen Schlaf- und Wachbruxismus unterschieden. Es kommt zu einer übermäßigen Belastung des Kiefergelenks. Zähneknirschen oder das krampfhafte Aufeinanderpressen der Zähne aufeinander ist damit gemeint. Bruxismus ist der Ausdruck bewusster oder unbewusster Spannungszustände.
Sich festbeißen- die Zähne zusammenbeißen, diesen Spruch kennen wir alle. Im Extremfall wirkt auf die Zähne ein Druck von bis zu 480 Kilogramm pro Quadratzentimeter ein – das entspricht mehr als dem Zehnfachen des normalen Kaudrucks. Dieser enorme Druck wirkt aber nicht nur kurzfristig auf die Zähne ein: Manche knirschen täglich sogar bis zu 45 Minuten mit ihren Zähnen. Temporärer Stress oder Dauerstress ist eine Fehlfunktion oder Fehlleitung des Gehirns. Dieses läuft normalerweise nachts im „Standby-Modus“. Ist unserem Gehirn durch diesen Stress, dieser Dauerbefeuerung es nicht mehr möglich sich zu regulieren, das System runterzufahren, überträgt es weitere Arbeit des Gehirns auf die Muskulatur und diese wieder auf die Kiefergelenke. Da hat man echt Spaß nach dem Aufwachen und muss erst einmal die Muskulatur wieder entspannen.
Ein Fehlbiss ist kann auch eine mögliche Ursache von Bruxismus sein. Angeboren oder erworben. Das heißt aber nicht, dass Menschen mit enormen Fehlstellungen Probleme haben müssen. Ich persönlich habe schon viele Menschen mit Fehlbiss gesehen und diese Menschen hatten keinerlei Probleme. Weder mit Beißen, Knirschen oder mit Schmerzen. Nach größeren Eingriffen wie Füllungen, Kronen, Inleys, Implantate kann es auch zu den hier beschriebenen Symptomen kommen.
Was viele Menschen nicht wissen, sensible Zahnhälse können auch durch das Pressen und Beißen entstehen, da sich das Zahnfleisch über längere Zeit zurückzieht. So sind die Zahnhälse nicht mehr geschützt und es kommt zu Missempfindungen wie z.B. bei heißen oder kalten Getränken oder zu süßen Speisen. Zu empfindliche Zahnhälse sind die Folge.
Symptome wie Kopf- und Gesichtsschmerzen, Schulter- Nackenbeschwerden, Rückenschmerzen, Tinnitus und Migräne. Auch Schlafstörungen und damit einhergehende Erschöpfungszustände, eine verspannte Gesichtsmuskulatur, Sehstörungen, Übelkeit, Gesichtsschmerzen können mögliche Folgen von Bruxismus sein. Unsere Zähne leiden extrem unter diesen Druck über lange Zeit. Diese können im wahrsten Sinne abgeschliffen werden. Es kommt zu Verkürzung der Zähne vor allem im Frontbereich, der Zahnschmelz wird angegriffen und die Zähne können Rissen bekommen.
Natürlich möchte man solche Sachen vermeiden, allein um die Zähne zu schützen. Eine Versorgung mit einer Aufbissschiene, Okklusionsschiene, Miniplastschienen oder Entspannungsschienen und Physiotherapie helfen auf lange Sicht. Natürlich darf auch hier eine Verhaltenstherapie zur Stressbewältigung nicht fehlen.
Fazit:
Wie ist es um den Kiefer bestellt? Gibt es Zähne die nicht gut versorgt sind? Bei Kronen empfehle ich immer einmal im Jahr ein Röntgenbild des kompletten Kiefers, um eventuellen Entzündungen der Zahnwurzeln vorzubeugen. Gab es in der Vergangenheit Unfälle wie z.B. ein Schleudertrauma und damit resultieren Kiefergelenksproblematiken? Oder unklare Symptome wie oben beschrieben, die mit dem Unfall nicht mehr in Verbindung gebracht werden?
Es würde mich sehr freuen, wenn ich mit diesem Blog der ein oder anderen Person helfen kann etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Es ist und bleibt ein sehr komplexes Thema. Ich stehe Ihnen gerne bei Fragen und Therapie zu Verfügung.